Aktuelles
Forderungen des bvhd an die Parteien
Vor der Bundestagswahl 2021 hat der bvhd an die Parteien, die nach der Wahl eine Regierung bilden könnten, seine Forderungen adressiert. Nach dieser Wahl hat der bvhd an die Parteien, die Sondierungsgespräche führten, seine Forderungen konkretisiert.
Schreiben zu den Wahlprogrammen der Parteien
SCHREIBEN an die CDU
Sehr geehrter Herr Parteivorsitzender,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet,
der Bundesverband der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes ist ein Zusammenschluss von Landesverbänden mit gleichgerichteter Zielsetzung und vertritt die Interessen seiner Mitglieder als der Beamtinnen und Beamten des höheren Dienstes. Als Führungskräfte in der Verwaltung fühlen wir uns auch besonders verpflichtet, die Belange unseres Gemeinwesens insgesamt im Blick zu haben. Wir wenden uns aus diesem Grund an Sie mit einigen Anmerkungen zu Ihrem Wahlprogramm für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021.
Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU „Das Programm für Stabilität und Erneuerung“ wird der Begriff Beamte nur an einer Stelle und auch dort nur sehr lapidar verwendet: ... wir stehen zu den bewährten beiden Säulen des öffentlichen Dienstes, den Tarifangestellten und dem Berufsbeamtentum (Seite 101, Zeile 3589/90 des Wahlprogramms).
Die Ankündigung eines modernen Dienstrechts im Wahlprogramm, das für Offenheit und Durchlässigkeit steht, löst zudem Unklarheit darüber aus, wie sich diese Durchlässigkeit etwa auf die parteipolitische Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten auswirken könnte und vermittelt keinen zielgerichteten beamtenpolitischen Aufbruch in die Zukunft. Die parteipolitische Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten ist jedoch ein eigenständiger Wert im Dienst einer sachgerechten Verwaltung für das Gemeinwohl.
Positiv hebt sich das Wahlprogramm von CDU und CSU von populistischen Forderungen in anderen Wahlprogrammen ab etwa nach einer Einbeziehung der Pension in die gesetzliche Rentenversicherung oder eine Bürgerversicherung. Leider enthält das Wahlprogramm allerdings auch keine klare Aussage, dass CDU und CSU die Beamtinnen und Beamten gegen Forderungen dieser Art verteidigt werden. Am Rande sei zur Debatte Rente vs. Pension ergänzend angemerkt, dass die Rententräger inzwischen mit ca. 100 Mrd. Euro im Jahr aus dem Bundeshaushalt unterstützt werden. Bei einem Bundeshaushalt von rund 500 Mrd. Euro bedeutet dies, dass etwa 20 % des Bundeshaushalts in die Rentenversicherung fließen, aus dem Haushaltsbereich der sozialen Sicherung sind damit sogar 50 % der Mittel für die Zahlung an die Rentenversicherung vorgesehen.
Sehr geehrter Herr Laschet,
wir würden uns wünschen, dass die beiden christlich sozial und demokratischen Unions-Parteien ihre bisher immer grundsätzlich positive Einstellung zum Berufsbeamtentum und seinen Inhalten offensiver vertreten würden als dies im aktuellen Wahlprogramm sichtbar ist. Wir sind der Ansicht und machen im Alltag immer wieder die Erfahrung, dass es für die Personalgewinnung von großem Vorteil ist, dass wir den Bewerberinnen und Bewerbern nicht ausschließlich Beschäftigungsverhältnisse anbieten können, sondern alternativ auch die Ernennung als Beamte. Bitte halten Sie dies Alternative auch attraktiv. Wir erlauben uns, an den Parteivorsitzenden der CSU und Ministerpräsidenten des Landes Bayern Dr. Markus Söder ein gleichlautendes Schreiben zu richten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Bruckmann Vorsitzender
SCHREIBEN an Bündnis 90 / Die Grünen
Sehr geehrte Frau Parteivorsitzende Baerbock,
der Bundesverband der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes ist ein Zusammenschluss von Landesverbänden und vertritt die Interessen seiner Mitglieder als Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes. Als Führungskräfte in der Verwaltung fühlen wir uns auch besonders verpflichtet, die Belange unseres Gemeinwesens insgesamt im Blick zu haben. Wir wenden uns aus diesem Grund an Sie mit einigen Anmerkungen zu Ihrem Wahlprogramm für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestages am 26. September 2021
Das Parteiprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen „Deutschland. Alles ist drin.“ verwendet lediglich an einer Stelle den Begriff der Beamten in Verbindung mit inhaltlichen Aussagen, nämlich nur im Kontext mit der Bürgerversicherung. Diese würde den Beamtenstatus aber gerade schwächen, weil sich der Staat über sie aus der unmittelbaren Fürsorgeverantwortung für seine Beamtinnen und Beamten im Krankheitsfall zurückziehen würde. Ein Bekenntnis zum Berufsbeamtentum an sich fehlt in dem Wahlprogramm gänzlich. Der Abschnitt öffentlichen Dienst stärken und modernisieren auf Seite 70 des Wahlprogramms bleibt zudem inhaltlich konturenarm.
Wir bitten zudem sich nicht populistischen Forderungen anzuschließen, die faktisch zu einer überführung der Beamtinnen und Beamten in eine gesetzliche Rentenversicherung führen; so beträgt etwa der Zuschuss an die Rententräger bereits jetzt ca. 100 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt. Bei einem Gesamthaushalt des Bundes von etwa 500 Mrd. Euro bedeutet dies, dass etwa 20 % des Bundeshaushalts in die Rentenversicherung fließen, aus dem Haushaltsbereich des Sozialen Sicherung sind damit sogar 50 % der Mittel für die Zahlung an die Rentenversicherung vorgesehen.
Damit ist es aber nicht wirklich seriös, wenn in der politischen Debatte erweckt wird, die Rente würde aus Beiträgen finanziert und nur die Pensionen aus Steuermitteln.
Sehr geehrte Frau Baerbock,
wir wünschen uns, wenn Ihre Partei bei der Entwicklung des Berufsbeamtentums nicht nur populistische Perspektiven wahrnehmen würde, sondern auch berücksichtigt, dass dem Gesundheitssystem erhebliche Summen entzogen würden, wenn die private Krankenversicherung tatsächlich oder faktisch abgeschafft würde und das Berufsbeamtentum in seinem Inhalt in verfassungsrechtlich relevanter Form verändert würde, wenn etwa die Altersversorgung für Beamtinnen und Beamte aus dem Alimentationsprinzip herausgenommen und in die Rentenversicherung überführt würde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Bruckmann
Vorsitzender
SCHREIBEN an Die Linke
Sehr geehrte Frau Parteivorsitzende Hennig-Wellsow,
sehr geehrte Frau Parteivorsitzende Wissler,
der Bundesverband der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes ist ein Zusammenschluss von Landesverbänden und vertritt die Interessen seiner Mitglieder als Beamtinnen und Beamten des höheren Dienstes. Als Führungskräfte in der Verwaltung fühlen wir uns auch besonders verpflichtet, die Belange unseres Gemeinwesens insgesamt im Blick zu haben. Wir wenden uns aus diesem Grund an Sie mit einigen Anmerkungen zu Ihrem Wahlprogramm für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestages am 26. September 2021.
Das Parteiprogramm der Partei Die Linke „Zeit zu handeln.“ enthält erwartungsgemäß kein klares Bekenntnis zum Berufsbeamtentum; im Gegenteil: durch die Forderung nach Streikrecht, einer Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Kranken- sowie Rentenversicherung höhlt das Wahlprogramm das Berufsbeamtentum mit seiner spezifischen Treue- und Fürsorgestruktur auf. Wenn das Wahlprogramm gleichzeitig fordert, dass die öffentlichen Verwaltungen ausreichend kompetentes Personal benötigt, wird sichtbar, dass weniger sachliche Diskussion als populistische Grundhaltungen die Diskussion um die Zukunft des Berufsbeamtentums steuert. Für viele Bewerberinnen und Bewerber ist es gerade attraktiv, dass der öffentliche Dienst neben dem bürgerlich-rechtlichen Arbeitsvertrag auch den Beamtenstatus mit seinen Inhalten anbietet und sie entscheiden sich gerade auch deshalb für einen beruflichen Weg im öffentlichen Dienst. In der Diskussion zur Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern in den Bundesländern wurde deutlich, dass gerade der Beamtenstatus für viele ein attraktiveres Angebot ist als ein Arbeitsvertrag.
Wir wünschen uns, dass die Linke in der Diskussion um die Entwicklung des Berufsbeamtentums nicht nur populistische Perspektiven wahrnimmt, sondern etwa auch sachgerecht berücksichtigt, dass dem Gesundheitssystem erhebliche Summen – entzogen würden, wenn die private Krankenversicherung wie im Wahlprogramm vertreten abgeschafft würde. Einen Vorschlag, wie der finanzielle Ressourcenverlust für das Gesundheitssystem ausgeglichen werden soll, um seine Leistungsfähigkeit nicht zu schwächen, enthält das Wahlprogramm nicht.
Auch in der Diskussion um die Altersversorgung für Beamtinnen und Beamte wird mit unvollständigen Argumentationsketten die Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung gefordert. Der Zuschuss an die Rententräger aus dem Bundeshaushalt bereits jetzt ca. 100 Mrd. Euro im Jahr. Bei einem Gesamthaushalt des Bundes von etwa 500 Mrd. Euro bedeutet dies, dass etwa 20 % des Bundeshaushalts in die Rentenversicherung fließen, aus dem Haushaltsbereich des Sozialen Sicherung sind damit sogar 50 % der Mittel für die Zahlung an die Rentenversicherung vorgesehen. Damit ist es aber nicht wirklich angemessen in der politischen Debatte den Eindruck zu erwecken, die Rente würde aus Beiträgen finanziert und nur die Pensionen würden aus Steuermitteln gezahlt.
Im übrigen können wir uns aber auch nicht erklären, wie eine Partei, die darüber klagt, dass das Rentenniveau ihrer Ansicht nach zu niedrig ist, die Höhe der Pensionen als zentralen politischen Argumentationsstrang verwendet, die Beamtinnen und Beamten in die nach eigenem Urteil Ihrer Partei zu niedrige Rentenversicherung zu überführen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Bruckmann
…
und die Antworten
ANTORT der CDU
Sehr geehrter Dr. Bruckmann,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben bezüglich des Wahlprogramms, in dem Sie auf die besondere Verpflichtung der Führungskräfte der Verwaltung hinweisen, die Belange unseres Gemeinwesens im Blick zu haben. Der Parteivorsitzende und Ministerpräsident Armin Laschet hat mich gebeten, Ihnen dafür zu danken und auf Ihr Anliegen zu antworten.
Ich kann Ihnen daher versichern, dass wir einig sind in der Zielsetzung, eine Politik zu verfolgen, die das Gemeinwesen und das Gemeinwohl im Fokus hat. Dazu werden wir die bestehenden Strukturen unserer Verwaltung weiterentwickeln und dabei auf die bewährten Fundamente des öffentlichen Dienstes bauen: Das Berufsbeamtentum und die Tarifangestellten.
Diese Weiterentwicklung soll nicht mit bewährten Strukturen brechen, sondern diese gezielt fördern und so ergänzen, dass wir gemeinsam die Stärken des öffentlichen Dienstes noch besser nutzen können. Eine der tragenden Säulen dieser Entwicklung müssen dabei die Beamten sein, ohne deren Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein wir den Weg nicht erfolgreich gehen können.
Der öffentliche Dienst in Deutschland leistet seit Jahrzehnten herausragende
Arbeit und hat in seiner Verantwortung für das Gemeinwesen immer
wieder seine Anpassungsfähigkeit bewiesen. Die Unions-Parteien standen dabei immer an der Seite des öffentlichen Dienstes und werden das auch weiterhin tun.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Rakers
Geschäftsführer Netzwerk Digitalisierung
Referent Digitalpolitik
ANTORT der Linken
Sehr geehrter Herr Bruckmann,
Vielen Dank für lhr Schreiben und die Zusendung lhrer Fragen.
DIE LINKE kämpft dafür, dass alle erwerbstätigen Menschen von ihrer Arbeit gut und sicher leben können. Der Beamtenstatus ist für viele Bewerber*innen attraktiv, weil in so vielen anderen Bereichen die Arbeitsverhältnisse für die Beschäftigten nicht sicher sind, und die Bezahlung keineswegs immer ausreicht, um eine Familie zu ernähren. Das gilt leider auch im Bereich des öffentlichen Dienstes. Lehrkräfte, die nur für 11 Monate im Jahr angestellt wurden und während der Sommerferien Arbeitslosengeld beziehen mussten, sind nur ein Beispiel. Durch die Steuersenkungen der letzten Jahrzehnte für Unternehmen und Reiche wurden die öffentlichen Haushalte geschröpft. Zunehmens wurden deswegen Lasten die öffentlichen Beschäftigten und die Allgemeinheit (durch Finanzierung eines Teils der Lehrerstellen über die allgemeine Arbeitslosenversicherung!) abgewälzt. Auch Beamte leiden unter dem Kürzungsdruck der letzten Jahrzehnte. DIE LINKE streitet für eine gute soziale Absicherung und gute Löhne in jedem Arbeitsverhältnis. Wir halten es gesellschaftlich und politisch für einen lrrweg, der zunehmenden Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen durch die Ausweitung eines geschützten Sonderbereichs mit sicheren Arbeitsverhältnissen für Beamte zu begegnen, während alle anderen weiter unsicher und ungenügend bezahlt arbeiten. Voraussetzung für sichere und gute Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst ist eine Steuerreform, die eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung der öffentlichen Haushalte ermöglicht, so dass nicht bei den öffentlichen Beschäftigten gespart werden muss. DIE LINKE setzt sich deswegen für die Wiedererhebung der Vermögensteuer auf Vermögen oberhalb von 2 Millionen Euro ein, für die Ausweitung der Erbschaftssteuer auf große Erbschaften, für eine stärkere Besteuerung von Unternehmensgewinnen und Kapitaleinkommen sowie einen höheren Spitzensteuer ab 76.000 Euro Jahreseinkommen und eine höhere Reichensteuer oberhalb von 280.000 bzw. 1 Million Euro Einkommen im Jahr. Eine ausreichende Finanzierung der öffentlichen Haushalte ermöglicht dringend notwendige lnvestitionen in die öffentliche lnfrastruktur und die Digitalisierung vorzunehmen, sowie gute Arbeitsbedingungen und eine gute Bezahlung für alle Erwerbstätigen im Bereich des öffentlichen Dienstes zu schaffen.
Durch die überführung der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche verbleiben die bisher entnommenen Gewinne der privaten Versicherer im Gesundheitssystem und werden unnötige Verwaltungskosten eingespart. Es steht somit mehr Geld für Gesundheitsversorgung zur Verfügung und nicht weniger.
Gleiches gilt für die Einbeziehung aller in die gesetzliche Rentenversicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung hat bedeutend niedrigere Verwaltungskosten als die privaten Versicherer. DIE LINKE fordert die Rückkehr zu einer lebensstandsichernden Rente für alle. Das entspricht einem Rentenniveau von 53 Prozent, was innerhalb einer Legislaturperiode problemlos umsetzbar ist. Es geht also keineswegs darum, die Altersversorgung von Beamt*innen zu kürzen, sondern im Gegenteil eine gute Absicherung im Alter für alle wieder zu gewährleisten. Darüber hinaus entspricht die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in eine Solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung dem Gebot der Gleichbehandlung in einer demokratischen Gesellschaft und ermöglicht überhaupt erst eine gemeinsame Verständigung darüber, welches Beitrags- und Leistungsniveau angemessen ist. Aktuell leben wir in der grotesken Situation, dass diejenigen, die über Anderungen in der Rentenversicherung entscheiden, gar nicht selbst mit den Konsequenzen ihrer Entscheidung leben müssen. DIE LINKE fordert deswegen als ersten Schritt die Einbeziehung von gewählten Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung.
Wir hoffen, dass diese Hinweise zur Klärung lhrer Fragen beitragen.
Mit freundlichen Grüßen Susanne Steinborn
DIE LINKE
Bereich Strategie und Grundsatzfragen
Schreiben zu den Sondierungsgesprächen
SCHREIBEN an die SPD
Sehr geehrte Frau Parteivorsitzende Esken,
sehr geehrter Herr Parteivorsitzender Walter-Borjans,
wir haben uns bereits mit Schreiben vom 26. Juli dieses Jahres im Rahmen des Bundestagswahlkampfs an Sie gewandt und möchten unsere Positionen auch zu den laufenden Koalitionsverhandlungen nach der Wahl zum 20. Deutschen Bundestages erneuern bzw. ergänzen.
Der Bundesverband der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes ist ein Zusammenschluss von Landesverbänden und vertritt die lnteressen seiner Mitglieder als Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes. Als Führungskräfte in der Verwaltung fühlen wir uns auch besonders verpflichtet, die Belange unseres Gemeinwesens insgesamt im Blick zu haben.
Leider verwendet das Wahlprogramm der SPD lediglich an einer Stelle den Begriff des Beamten, nämlich in Verbindung mit Bürgerversicherung. Ein grundsätzliches Bekenntnis zum Berufsbeamtentum an sich und seinen Grundsätzen wie lebenslanger und amtsangemessener Alimentation, Fürsorge für den Beamten und seine Familie, Einstellung nach Eignung für das Amt, politischer Unabhängigkeit und Streikverbot an sich fehlte im Wahlprogramm und leider enthält auch das Ergebnis der Sondierungen zwischen FDP, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen kein Signal in diese Richtung.
Wir bitten die SPD, in den Koalitionsverhandlungen klarer für eine krisenfeste öffentliche Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden Position zu beziehen, zu der auch das streikfeste Berufsbeamtentum gehört, das deshalb attraktive Rahmenbedingungen braucht, um für leistungsstarke Bewerberinnen und Bewerber interessant zu sein. Neben einer krisenfesten öffentlichen Verwaltung braucht das Land aber auch eine krisenfeste lnfrastruktur: Kommunikation, Strom, Straße, Bahn, Wasser und Abwasser sind die wichtigsten Infrastrukturadern einer Gesellschaft. Der Staat kann sich nicht aus der Verantwortung für sie stehlen. Bei der Kommunikation hat er seine Verantwortung für den Internetzugang leider nie wirklich ernst genommen. Deutschland hat im internationalen Vergleich und gemessen am eigenen Anspruch als moderne Gesellschaft keine – gemessen am Bedarf – leistungsfähige Struktur für den Zugang ins lnternet. Bei der Bahn hat sich der Staat erheblich aus der früheren Versorgungssicherheit zurückgezogen, was vor allem auch mit Blick auf die angekündigte Verkehrswende besonders bedauerlich ist. Ein solcher Rückzug darf bei den lnfrastrukturthemen Strom, Straße, Wasser und Abwasser nicht ebenfalls passieren.
Wir begrüßen die Signale aus den Koalitionsverhandlungen, dass sich die
Verhandlungsparteien nicht populistischen Forderungen anschließen wollen, Beamtinnen und Beamte in eine Bürgerversicherung oder das gesetzliche Rentensystem zu zwingen. Aus den Vorausberechnungen im 7. Versorgungsbericht der Bundesregierung ergibt sich zudem, dass die Beamtenund Soldatenversorgung tragfähig finanziert ist. Dass der in der öffentlichkeit und in Kreisen der populistischen Politik beliebte Vergleich zwischen Versorgungsniveau aus der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung unseriös ist, hat insbesondere bereits der 6. Rentenbericht der Bundesregierung sachgerecht herausgearbeitet. Wir bitten, dieses Ergebnis auch während der Legislaturperiode nicht aus den Augen zu verlieren. Auch der Bericht der Rentenkommission bei der Bundesregierung vom März 2020 schlägt eine Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung und damit die lntegration der beiden Systeme gerade nicht vor.
Wir wünschen uns, dass die SPD bei der Entwicklung des Berufsbeamtentums in der kommenden Legislaturperiode nicht nur voreingenommene Perspektiven wahrnimmt, sondern sich auch mit beamtenpolitischen Themen sachlich auseinandersetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Bruckmann
Sehr geehrte Frau Baerbock,
wir wünschen uns, wenn Ihre Partei bei der Entwicklung des Berufsbeamtentums nicht nur populistische Perspektiven wahrnehmen würde, sondern auch berücksichtigt, dass dem Gesundheitssystem erhebliche Summen entzogen würden, wenn die private Krankenversicherung tatsächlich oder faktisch abgeschafft würde und das Berufsbeamtentum in seinem Inhalt in verfassungsrechtlich relevanter Form verändert würde, wenn etwa die Altersversorgung für Beamtinnen und Beamte aus dem Alimentationsprinzip herausgenommen und in die Rentenversicherung überführt würde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Bruckmann
Vorsitzender
SCHREIBEN an die FDP
Sehr geehrter Herr Bundesvorsitzender Lindner,
wir haben uns bereits mit Schreiben vom 26. Juli dieses Jahres im Rahmen des Bundestagswahlkampfs an Sie gewandt und möchten unsere Positionen auch zu den laufenden Koalitionsverhandlungen nach der Wahl zum 20. Deutschen Bundestages erneuern bzw. ergänzen. Der Bundesverband der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes ist ein Zusammenschluss von Landesverbänden und vertritt die lnteressen seiner Mitglieder als Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes. Als Führungskräfte in der Verwaltung fühlen wir uns auch besonders verpflichtet, die Belange unseres Gemeinwesens insgesamt im Blick zu haben.
Bereit das Wahlprogramm der FDP enthielt keine spezifische Aussage zum öffentlichen Dienst oder zum Beamtentum, Wir fordern die FDP auf, ein ausdrückliches Bekenntnis zum Berufsbeamtentum mit seinen verfassungsrechtlich geschützten lnhalten und seinen Grundsätzen wie zum Beispiel lebenslanger und amtsangemessener Alimentation, Fürsorge für den Beamten und seine Familie, Einstellung nach Eignung für das Amt, politischer Unabhängigkeit und Streikverbot in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Leider enthält auch das Ergebnis der Sondierungen zwischen FDP, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen kein Signal in diese Richtung. Wir bitten die FDP, in den Koalitionsverhandlungen klarer für eine krisenfeste öffentliche Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden Position zu beziehen, zu der auch das streikfeste Berufsbeamtentum gehört, das attraktive Rahmenbedingungen braucht, um für leistungsstarke Bewerberinnen und Bewerber interessant zu sein. Neben einer krisenfesten öffentlichen Verwaltung braucht das Land aber auch eine krisenfeste lnfrastruktur: Kommunikation, Strom, Straße, Bahn, Wasser und Abwasser sind die wichtigsten lnfrastrukturadern einer Gesellschaft. Der Staat kann sich nicht aus der Verantwortung für sie stehlen. Bei der Kommunikation hat er seine Verantwortung für den lnternetzugang leider nie wirklich ernst genommen. Deutschland hat im internationalen Vergleich und gemessen am eigenen Anspruch als moderne Gesellschaft keine – gemessen am Bedarf – leistungsfähige Struktur für den Zugang ins lnternet. Bei der Bahn hat sich der Staat erheblich aus der früheren Versorgungssicherheit zurückgezogen, was vor allem auch mit Blick auf die angekündigte Verkehrswende besonders bedauerlich ist. Ein solcher Rückzug darf bei den lnfrastrukturthemen Strom, Straße, Wasser und Abwasser nicht ebenfalls passieren. Wir begrüßen die Signale aus den Koalitionsverhandlungen, dass sich die FDP nicht populistischen Forderungen anschließen wird, Beamtinnen und Beamte in eine Bürgerversicherung oder das gesetzliche Rentensystem zu zwingen.
Aus den Vorausberechnungen im 7. Versorgungsbericht der Bundesregierung ergibt sich zudem, dass die Beamten- und Soldatenversorgung tragfähig finanziert ist. Dass der in der öffentlichkeit und in Kreisen der populistischen Politik beliebte Vergleich zwischen Versorgungsniveau aus der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung unseriös ist, hat insbesondere bereits der 6. Rentenbericht der Bundesregierung sachgerecht herausgearbeitet. Wir bitten, die Ergebnisse insbesondere aus diesen beiden Versorgungsberichten auch während der Legislaturperiode nicht aus den Augen zu verlieren. Auch der Bericht der Rentenkommission bei der Bundesregierung vom März 2020 schlägt eine Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung und damit die lntegration der beiden Systeme gerade nicht vor.
Studie der Bertelsmann-Stiftung grundlegend falsch
Im Januar 2017 hat die Bertelsmannstiftung eine Studie mit der Forderung veröffentlicht, Beamte künftig zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu zwingen. Die Studie bedient mit dieser Forderung populistisch und voreingenommen eine klischeegetragene Stimmung gegen Beamte ohne die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verbessern.
Die Studie erläutert bereits im Vorwort, dass sie Schritte aufgezeigt, „wie die Dualität von gesetzlicher und privater Krankenkasse überwunden werden kann“. Ziel der Studie sei es, „die Basis für die Sozialversicherung zu verbreitern, um das Solidaritätsprinzip als wesentlichen Faktor für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zukunftsfest zu machen“.
weiter lesen
- Mit dieser Einführung disqualifiziert sich die Studie inhaltlich selbst. Sie verzichtet auf inhaltliche Neutralität und wissenschaftliche Distanz zum Untersuchungsgegenstand. Ihr Programm ist die politische Vorfestlegung. Auch umfangreiche Ausführungen zum verwendeten Zahlenmaterial können nicht darüber hinweghelfen, dass alle Zahlen für ein vorgegebenes Ziel erhoben, zusammengestellt und interpretiert sind.
- Die Studie stellt außerdem klar, dass es ihr nur um die Auswirkungen ihres Ergebnisses auf Krankenversicherung, Privathaushalte der Beamten und Beihilfeträger geht. Eine Gesamtwertung, wie sich der Schritt auf das Gesundheitswesen insgesamt auswirken würde, klammert die Studie somit wohlweißlich aus. Diese Perspektive würde das vorgegebene Untersuchungsergebnis auch fundamental stören.
- Die Studie ignoriert, dass mit dem Wechsel in die GKV die Leistungen für die bisher privat versicherten Beamten verringert würden. Dies auszublenden eröffnet erst die Möglichkeit, einen Gewinnsaldo von 0,5 Milliarden Euro für alle Beamtenhaushalte zu errechnen. Beträge für private Ergänzungstarife werden nicht berücksichtigt, die 0,5 Milliarden Euro Einsparung über alle Haushalte wären andernfalls auch schnell aufgezehrt.
- Die Studie stellt lapidar fest, dass sich der Umsatz der Leistungserbringer aus privatärztlicher Tätigkeit als Einnahmeverlust in Höhe von über 12 Milliarden Euro im Jahr niederschlagt. An anderer Stelle geht die Studie von bis zu 6,4 Milliarden Euro im Jahr aus, die den Leistungserbringern an Umsätzen fehlen. Der Vorschlag der Studie entzieht dem Gesundheitssystem somit in jedem Fall pro Jahr Gelder in Milliardenhöhe. Die Studie beschäftigt sich jedoch nicht damit, welche Folgen dies für das Gesundheitssystem hätte und geht auch nicht darauf ein, wer erforderliche Kompensationen für den Einnahmeausfall tragen müsste: Die Steuerzahler oder die Beitragszahler oder die ärzte oder die Patienten aus eigener Tasche? Bei zahnärztlichen Leistungen hat sich letzteres Prinzip ja bereits weitgehend durchgesetzt, wenn man eine zeitgemäße Zahnversorgung möchte.
- Das Problem der Altersrückstellungen in den privaten Krankenversicherungen lässt man letztlich ganz bei Seite, denn auch dieser Aspekt würde den einfachen Lösungsvorschlag der Studie nur behindern. Am Ende schlägt die Studie sogar noch vor, die Rückstellungen in Höhe von 72 Milliarden Euro einfach in die GKV zu überführen und somit zu vergemeinschaften.
- Es ist unverfroren, mit welcher Willkür die Studie das Solidaritätsprinzip in einer Gesellschaft mit der Zugehörigkeit zur GKV gleichsetzt. Jede Versicherungsgemeinschaft ist eine Solidargemeinschaft der Versicherten. Das gilt für die private Haftpflichtversicherung ebenso wie die Kfz-Haftpflichtversicherung, für die Krankenversicherung ebenso wie für die Pflegeversicherung. Primärer Ausdruck der Solidarität in einer staatlichen Gesellschaft ist die Steuerpflicht.
- Der Bezug in der Studie zwischen gesellschaftlicher Solidarität und GKV ist auch unhistorisch. Die erste private Versicherung entstand 1843 und somit als Solidargemeinschaft weit vor der GKV. Die Innungskrankenkassen sind hervorgegangen aus den Gesellenbruderschaften, deren Existenz bis ins Mittelalter zurückreicht und deren Mitglieder sich bei Krankheit gegenseitig unterstützt haben. Die Tradition der Betriebskrankenkassen geht bis in die Mitte des 18 Jahrhunderts zurück. Auch die Idee der Fürsorgeleistungen des Dienstherrn im Krankheitsfall für Beamte ist älter als die GKV, auch wenn sie Stück für Stück und sehr nach Landesherr unterschiedlich entstanden sind. Der Staat hat als angeblicher Hüter der Solidargemeinschaft die Menschen lange mit den Risiken von Krankheit allein gelassen. Sie haben sich über verschiedene Wege selbst solidarisch geholfen und helfen müssen.
- Bei ihrer Einführung sollte die GKV lediglich die absichern, die keine private Krankheitsvorsorge treffen konnten. Versicherungspflicht bestand nur für Arbeiter und nicht einmal für Angestellte.
Fazit: Zuerst war die Solidarität der Menschen, die der Staat gerade nicht herstellen wollte. Selbst in seinem ersten eigenen Aufschlag hatte auch der Staat keine gesamtgesellschaftliche Solidarität im Auge, sondern die sozialpolitische Entscheidung, arme Menschen bei Krankheit abzusichern. Dass sich alle, die ein System ohne maximalen staatlichen Dirigismus aufgebaut haben, nun unsolidarisches Verhalten vorwerfen lassen müssen, stellt die Geschichte auf den Kopf. - Gerade durch dieses Zurechtbiegen der Entstehungsgeschichte der Absicherung von Krankheit wird deutlich, dass das Gutachten populistisch Klischees bedienen will und ihm nicht die solidarische Versorgung der Bevölkerung im Krankheitsfall am Herz liegt. Dieses Argument ist nur das Transportmittel für das politische Ziel, den staatlichen Einfluss auf das Gesundheitssystem noch weiter zu erhöhen – aber nicht zum Besten des Systems und seines Versorgungsauftrages.
- Für den höheren Dienst bedeutet der vorgeschlagene Weg der Studie in der weit überwiegenden Zahl der Fälle eine Verschlechterung: Der Beitrag wird höher, die Leistungen werden schwächer, die zusätzliche Absicherung, um das bisherige Versicherungsniveau zu halten, kommt zu den Pflichtbeiträgen hinzu. Es ist kein Meisterwerk zu errechnen, dass höhere Beitragseinnahmen bei abgesenkter Leistung die Beiträge zu einer Krankenversicherung senken.
- Sie Studie geht davon aus, dass manche Beamten mit einem Einkommen über der Pflichtversicherungsgrenze nicht wechseln werden, weil es für sie finanziell unvorteilhaft wäre. Das Gutachten spricht dabei von kurzfristig unvorteilhaft. Woher nimmt es diese Annahme? Für die überwiegende Zahl der Beamten über der Versicherungspflichtgrenze wird es dauerhaft vorteilhaft sein, privat versichert zu bleiben. Erst im letzten Absatz des Gutachtens wird offensichtlich, warum das Gutachten von nur kurzfristigen Vorteilen ausgeht, wenn man in der privaten Krankenversicherung verbleibt: Wegen seiner eigenen Prognose, dass das System der privaten Krankenversicherung mit dem vorgeschlagenen Schritt entscheidend beschädigt werden kann, so dass es wegen zu kleiner Zahl der Versicherten zum Scheitern verurteilt wird. Dies wäre aber kein Beleg für die Richtigkeit des Weges, den die Studie vorschlägt, sondern nur der Beleg dafür, dass man politisch vorsätzlich ein funktionierendes System kaputt machen kann.
- Völlig außer Acht lässt die Studie auch den strategischen Wert, den das Nebeneinander beider Systeme hat. Die GKV muss sich derzeit immer auch an dem messen lassen, was private Krankenversicherungen leisten. Wenn mit der Zerstörung der privaten Krankenversicherung diesen Maßstab entfällt, entfällt ein wichtiges Element der Rechtfertigung des Staates für das Leistungsspektrum der GKV. Die Leistungsreduzierung der gesetzlichen Krankenversicherung würde der öffentlichen Hand in der Zukunft noch leichter gemacht.
Bertelsmann-Stiftung
Gesetzliche Krankenversicherung statt Beihilfe – Ausweitung der GKV-Pflicht auf Beamte
Im Januar 2017 hat die Bertelsmann-Stiftung ein Papier mit der Forderung veröffentlicht, Beamte künftig zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu zwingen. Würde die Beihilfe abgeschafft, würden die öffentlichen Haushalte angeblich bis 2030 in Summe 60 Milliarden Euro sparen.
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Das Werk formuliert sein Ziel im Vorwort ganz offen: „Die unterschiedlichen Regelungen zur Krankenversicherung bei Beamten und Selbständigen auf der einen sowie Arbeitern und Angestellten auf der anderen Seite ... lassen sich nicht mehr inhaltlich rechtfertigen.“ Man wolle deshalb Schritte aufzeigen, „wie die Dualität von gesetzlicher und privater Krankenkasse überwunden werden kann“.
Mit dieser Einführung wird sofort deutlich, mit welcher Brille Annahmen ausgewählt wurden, auf denen das Papier fußt und aus denen es seine Schlussfolgerungen zieht, mit welcher Brille das Papier Zahlen interpretiert – und aus welchem Grund es Nachteile und Probleme seines eigenen Ergebnisses ignoriert.
Somit stellt das Papier zum Glück aber auch von vorneherein klar, dass es keinen wissenschaftlichen oder auch nur ernsthaften politischen Beitrag zu seiner These leisten will, nach der die Dualität von privater und gesetzlicher Krankenversicherung nicht mehr gerechtfertigt sein soll. Ganz so einfach kann man sich die Welt aber nicht stricken. Dass es politische Strömungen in Parteien und Gesellschaft gibt, die diese Dualität nicht mehr möchten, ist nicht gleichzusetzen mit der apodiktischen Feststellung, dass sich die Dualität nicht mehr rechtfertigen lässt. Was der Text aus der Bertelsmann-Stiftung aber auch nicht sehen will ist der Umstand, dass sich nicht die private Krankenversicherung (PKV) rechtfertigen muss, sondern die zwangsweise Mitgliedschaft in einer vom Staat vorgegebenen Organisation bedarf der Rechtfertigung. Wie auch immer man zu Zwangsmitgliedschaften steht – es gibt sie ja in zahlreichen Lebensbereichen -, doch rechtfertigen muss sie sich in jedem Einzelfall und nicht die Freiheit von ihr.
Das Papier bedient sich somit ganz offen voreingenommen einer klischeegetragenen Stimmung gegen private Krankenversicherungen allgemein und gegen Beamte im Besonderen und tut dabei auch noch so als wäre die Diskussion über das Thema bereits abgeschlossen, zumindest aber überflüssig. Mit dieser Haltung wird jede Gegenargumentation von vorneherein diskreditiert, jede sachliche Diskussion über das Ergebnis des Papiers wird abgeschnitten.
Mit seiner Grundausrichtung disqualifiziert das Papier aber letztlich seine Ergebnisse und Vorschläge selbst, indem es auf wissenschaftliche Distanz zum Untersuchungsgegenstand komplett verzichtet.
Sieht man sich die Argumentation genauer an, würde die Einsparung von 60 Milliarden bis 2030 vor allem zu Lasten der ärzte und Krankenhäuser gehen. Diese würden im Jahr 6,4 Milliarden Euro Mindererlöse zu dem Einsparerfolg beisteuern. Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems hat das Papier somit einmal auf keinen Fall im Blick. Es nennt sich zudem selbst in seinem offiziellen Titel „Krankenversicherungspflicht für Beamte und Selbständige – Teilbericht Beamte“. Bereits aus diesem ersten Teilbericht ergibt sich jedoch, dass dem System sogar 12,1 Mrd. Euro im Jahr entzogen würden, wenn auch die Selbständigen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen würden. Das nicht gelöste Problem aus dem ersten Teilbericht wird sich somit durch den zweiten Teilbericht einfach mal ungelöst verdoppeln.
Das Papier entzieht dem Gesundheitssystem somit pro Jahr Gelder in Milliardenhöhe, am Ende 12,1 Mrd. Euro im Jahr. Die Studie beschäftigt sich jedoch nicht damit, welche Folgen dies für das Gesundheitssystem hätte und geht auch nicht darauf ein, wer erforderliche Kompensationen für diesen Einnahmeausfall tragen müsste: Die Steuerzahler oder die Beitragszahler oder die ärzte oder die Patienten aus eigener Tasche? Diese Perspektive mit einzubeziehen würde das Ergebnis der Studie ja in der Tat fundamental stören. Es würde entweder das behauptete Einsparungsergebnis bei den öffentlichen Haushalten stören oder die angeblichen Einsparungen bei den Versicherten. Oder man müsste einfach ausdrücklich sagen, dass die Kosten für den Systemwechsel die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems schwächen. Ein Papier, das eine so fundamentale Perspektive einfach ausblendet, kann für sich nicht beanspruchen, ein für eine politische Auseinandersetzung brauchbares Ergebnis produziert zu haben.
Dass weitere rechtliche Fragen erklärtermaßen ebenfalls ausgeklammert wurden, die jedoch fundamental für die Umsetzbarkeit der Studie sind, tritt neben dem obigen Problem sogar in den Hintergrund. Aspekte wie die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Vorschlags oder die Problematik der Altersrückstellungen in der privaten Krankenversicherung hätten die Autoren endgültig überfordert.
Das Papier ignoriert darüber hinaus, dass mit dem Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung die Leistungen für die bisher privat versicherten Beamten verringert würden. Dies auszublenden eröffnet erst die Möglichkeit, einen Gewinnsaldo von 0,5 Milliarden Euro für alle Beamtenhaushalte zu errechnen. Beträge für private Ergänzungstarife werden nicht berücksichtigt, die 0,5 Milliarden Euro Einsparung über alle Haushalte wären andernfalls auch schnell aufgezehrt.
Das Problem der Altersrückstellungen in den privaten Krankenversicherungen lässt man letztlich ganz bei Seite, denn auch dieser Aspekt würde den einfachen Lösungsvorschlag der Studie nur behindern. Unterwegs stellt das Papier zwar einmal fest, dass es derzeit keine Möglichkeit gibt, die Altersrückstellungen in der PKV in die GKV zu übertragen. Am Ende schlägt es aber dann doch vor, die Rückstellungen in einer Größenordnung von etwa 72 Milliarden Euro einfach in die gesetzlichen Krankenversicherungen zu überführen und somit zu vergemeinschaften. Wer die Diskussion um den Wechsel zwischen privaten Krankenversicherungen und die Mitnahme der Altersrückstellung bei einem solchen Wechsel verfolgt, wird sehr schnell erkennen, dass es bisher politischer Konsens war, die Rückstellung mit den Versicherungsnehmern verknüpft zu halten. Mit einer lapidaren Nebenbemerkung wischt dieses Papier diese politische Haltung einfach weg. Auch hier werden zudem verfassungsrechtliche Probleme einfach ausgeblendet.
Klischeehaft bleibt das Papier auch beim Solidaritätsprinzip, aus dem es ja seine politische Hauptlegitimation beziehen will und als dessen Retter es sich geriert. Den Beamten und Selbständigen fehlende gesellschaftliche Solidarität vorzuwerfen, wird in Diskussionen um eine Bürgerversicherung – und um deren Einführung geht es hier ja im Kern – gerne gebetsmühlenhaft wiederholt.
Willkür ist dabei bereits, das Solidaritätsprinzip in einer Gesellschaft mit der Zugehörigkeit zur GKV gleichzusetzen. Jede staatliche Gemeinschaft ist eine Solidargemeinschaft der Staatsbürger und jede Versicherungsgemeinschaft ist eine Solidargemeinschaft der Versicherten. Das gilt für die private Haftpflichtversicherung ebenso wie die Kfz-Haftpflichtversicherung, für die Krankenversicherung ebenso wie für die Pflegeversicherung. Primärer Ausdruck der Solidarität zwischen den Bürgern in einer staatlichen Gemeinschaft ist die Steuerpflicht.
Solidarität so stark mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbinden, ist auch unhistorisch. Die erste private Krankenversicherung entstand 1843 und somit als Solidargemeinschaft weit vor dem Konstrukt der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Innungskrankenkassen sind hervorgegangen aus den Gesellenbruderschaften, deren Existenz bis ins Mittelalter zurückreicht und deren Mitglieder sich bei Krankheit gegenseitig unterstützt haben. Die Tradition der Betriebskrankenkassen geht bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Auch die Idee der Fürsorgeleistungen des Dienstherrn im Krankheitsfall für Beamte ist älter als die gesetzliche Krankenversicherung, auch wenn diese Leistungen Stück für Stück und sehr nach Landesherr unterschiedlich entstanden sind.
Und auch die gesetzliche Krankenversicherung selbst sollte bei ihrer Einführung lediglich diejenigen absichern, die keine private Krankheitsvorsorge treffen konnten. Versicherungspflicht bestand deshalb ursprünglich nur für Arbeiter und nicht einmal für Angestellte. Fazit: Zuerst haben die Menschen untereinander solidarische Unterstützungssysteme im Krankheitsfall aufgebaut. Erst unter dem Druck der tatsächlichen Verhältnisse hat sich der Staat bereit erklärt, ein Versicherungssystem Schritt für Schritt aufzubauen. Dass sich Akteure der Versicherungslandschaft, die ein solidarisches System ohne maximalen staatlichen Dirigismus aufgebaut haben, nun unsolidarisches Verhalten vorwerfen lassen müssen, stellt somit die Geschichte auf den Kopf.
Gerade durch dieses Zurechtbiegen der Entstehungsgeschichte der Absicherung gegen Krankheit wird deutlich, dass das Gutachten populistisch argumentieren will und ihm nicht die solidarische Versorgung der Bevölkerung im Krankheitsfall am Herz liegt. Der Gesichtspunkt der Solidarität ist als Argumentation nur das Transportmittel für das politische Ziel, den staatlichen Einfluss auf das Gesundheitssystem noch weiter zu erhöhen – aber nicht zum Besten des Systems und seines Versorgungsauftrages.
Das Papier geht davon aus, dass manche Beamte mit einem Einkommen über der Pflichtversicherungsgrenze nicht in die GKV wechseln werden, weil es für sie finanziell unvorteilhaft wäre – das Papier spricht dabei von kurzfristig unvorteilhaft. Mittel- und langfristig, so wird behauptet, wäre die Mitgliedschaft in der GKV auch für diese Personen von Vorteil. Auf der Hand liegt diese Annahme allerdings nicht. Natürlich wissen wir, dass die Höhe der Beiträge zur privaten Krankenversicherung gerade im Alter ja nach persönlicher Biographie für einzelne Beamtinnen und Beamte zum Problem werden kann. Entsprechend hat der Gesetzgeber hier reagiert und die Versicherungen gezwungen, Tarife anzubieten, über die die Betroffenen auch auf eine solche persönliche Situation reagieren können. Weit überwiegend spart sich der Personenkreis der freiwillig Versicherten durch die Mitgliedschaft in der GKV nichts, sondern im Gegenteil. Wie kommt das Papier dann aber zu der Annahme, dass ein Verbleib in der privaten Krankenversicherung nur kurzfristig vorteilhaft wäre?
Im letzten Absatz des Papiers wird deutlich, warum es von nur kurzfristigen Vorteilen ausgeht, wenn man in der privaten Krankenversicherung verbleibt: Das Papier geht davon aus, dass durch sein Ziel, die Bürgerversicherung einzuführen, das System der privaten Krankenversicherung so stark beschädigt wird, dass es wegen zu kleiner Zahl der Versicherten zum Scheitern verurteilt ist. Diese Entwicklung wäre aber kein Beleg dafür, dass das Ziel des Bertelsmann Papiers richtig ist, sondern nur der Beleg dafür, dass man politisch vorsätzlich und ideologisch verengt ein funktionierendes System kaputt machen kann.
Basis für die Beitragsbemessung bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten ist zudem nicht allein das Erwerbseinkommen, sondern hier werden auch die Einnahmen aus Vermögen einbezogen; dabei können anders als im Steuerrecht nicht einmal die negativen Einkünfte gegengerechnet werden, für die Beitragsbemessung werden ausschließlich die positiven Einkünfte herangezogen.
Völlig außer Acht lässt die Bertelsmann-Stiftung auch den strategischen Wert, den das Nebeneinander beider Systeme hat. Die gesetzliche Krankenversicherung muss sich derzeit immer auch an dem messen lassen, was private Krankenversicherungen leisten. Wenn mit der Zerstörung der privaten Krankenversicherungen dieser Maßstab entfällt, entfällt ein wichtiges Element der Rechtfertigung des Staates für das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Leistungsreduzierung der gesetzlichen Krankenversicherung würde der öffentlichen Hand in der Zukunft sogar noch leichter gemacht als es heute schon ist.
Für den höheren Dienst bedeutet der vorgeschlagene Weg in der weit überwiegenden Zahl der Fälle eine Verschlechterung. Der Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung wird in der weit überwiegenden Zahl der Fälle höher sein als derzeit in der privaten Krankenversicherung, wovon auch das Papier ausgeht. Aus diesem Grund nimmt es ja auch an, dass sich viele Beamtinnen und Beamte, deren Verdienst über der Pflichtversicherungsgrenze liegt, gegen einen Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden würden. Die zusätzliche Absicherung, um das bisherige Leistungsniveau zu halten, käme zudem zu den Pflichtbeiträgen hinzu.